Alumni-Talk: Coaching im Krankenhaus

Ein Beitrag von Kara Pientka

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Coaching im Krankenhaus – „Die Faszination, sich in engen Räumen breit zu bewegen“

Kara Pientka im Gespräch mit ihrer ehemaligen Auszubildenden Katrin Berwinkel

Frau Berwinkel, Sie arbeiten als Coach im Krankenhaus-Bereich mit leitenden Pflegekräften. Was sind die häufigsten Themen, an denen Sie arbeiten?

Meine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich des konstruktiven Umgangs mit Druck und Stress in einem immer schnelleren, lauteren und fordernden Arbeitsumfeld. Ebenso die interprofessionelle Zusammenarbeit. Pflegekräfte und Ärzte brauchen zunehmend eine innere Haltung, die ermöglicht, handlungsfähig zu bleiben und eine Übereinstimmung von eigenen Bedürfnissen und den Unternehmenszielen anstrebt. 

Besonders Führungskräfte in Sandwich-Positionen, wie Team-, Stationsleitungen und teilweise auch Pflegedienstleitungen arbeiten mit mir daran, Leitungsaufgaben kompetenzorientiert und effektiv im Arbeitsalltag umzusetzen.

Sie kommen selbst aus einer leitenden Rolle in einem großen Unternehmen. Was genau haben Sie da gemacht? Gibt es Erfahrungen aus dieser Zeit, von denen Ihre Klienten im Krankhaus auch heute noch profitieren oder sind Industrie und Krankhaus zwei komplett unterschiedliche Welten?

In meiner langjährigen Leitungstätigkeit habe ich begeistert Kunden und Mitarbeiter auf Produkte oder Zubereitungen geschult. Seminare waren schon immer mein Steckenpferd und die Vortragsarbeit hat mich sehr begeistert. Kurz gesagt: Die Arbeit mit Menschen stand für mich schon immer im Fokus und das war auch meine Motivation, diese Kompetenz in „Eigenregie“ umzusetzen.

Meine Erfahrungen aus der Wirtschaft sind für meine Arbeit im Krankenhaus von unschätzbarem Wert. Als Profi in der Arbeit mit Krankenhausmitarbeitern bin ich jedoch auch „berufsfremd“ für tägliche Belange, und beleuchte somit Stations-, und Krankenhausabläufe unterschiedlicher Häuser mit interessierter Neugier, hinterfrage Verhaltensweisen neutral und spreche destruktive Muster offen an.

Wie war Ihr Weg ins Coaching? Was war Ihre Motivation, sich dem Coaching zu widmen?

Die Arbeit mit Menschen begeistert mich sehr. Meine Konzern-Erfahrungen haben mir die Möglichkeit gegeben, Schwerpunkte zu setzen.

Die erste Coaching-Ausbildung begann ich, um meiner Führungsverantwortung innerhalb des Unternehmens besser ausüben zu können. Mitarbeiter können herausfordernde Themen besser überblicken, einfacher, schneller und mit mehr Zufriedenheit lösen, indem Sie eine innere offene Haltung entwickeln. So war es mir wichtig, einen professionellen Weg zu finden, diese Haltung anbieten zu können.

Sie arbeiten viel mit Menschen in Sandwich-Positionen. Was ist eigentlich das wichtigste, was man können oder lernen muss, wenn man in einer solchen Position arbeitet?

Das Wichtigste ist, die Rolle als Führungskraft mit den Anforderungen an die eigene Person zu kennen und einen individuellen, konstruktiven Führungsstil zu entwickeln, der zum jeweiligen Mitarbeiter und zum Haus passt.

Und wie ist die Idee entstanden, im Krankenhaus-Bereich zu coachen? Gibt es da auch persönliche Erfahrungen, die da eine Rolle gespielt haben?

Mein Arbeitsumfeld war immer geprägt von Unternehmen, die klar hierarchisch geführt wurden. Sich in einem „engen Rahmen breit zu bewegen“ macht für mich einen persönlichen Reiz aus.

Tatsächlich haben mich die Krankenhäuser „gefunden“. Einer meiner ersten Aufträge enthielt einen Vortrag zum Thema „Gewalt in der Pflege“. Die intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema weckte mein Interesse für dieses spannende Umfeld mit den besonderen Herausforderungen an Ärzte und Pflege.

Wie kann man sich so eine Coaching-Session konkret vorstellen?

Jedes Krankenhaus tickt da ein wenig anders. Uni-Kliniken arbeiten anders, als z.B. Gemeinschaftskrankenhäuser. Ebenso unterscheidet sich die Mentalität von Mitarbeitern in Ballungsgebieten von den ländlich geprägten Räumen. Demnach ist ein Vorgespräch, wo die Ziele und der Nutzen für ein Haus und deren Mitarbeiter klar festgelegt werden, ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Die individuelle Vorgehensweise in der Umsetzung, was Zeit und Umfang angeht, wird auf die Belange des Hauses abgestimmt. Festgelegte Ziele erreiche ich dann durch Einzel-Coaching und Team-, Gruppen-Coaching vor Ort,  in meinen Räumen oder externen Räumlichkeiten.

Wie hat sich Ihre Arbeit durch Corona verändert? Wie sind die Aussichten?

Die Corona-Pandemie hat natürlich die Arbeit mit Menschen verändert. Der Fokus wurde verlagert. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass die persönlichen Herausforderungen von Mitarbeitern im Krankenhaus, sich für den Zeitraum, in der Dringlichkeit verändert haben. Themen der Zusammenarbeit und auch Führungsthemen, die nicht laufen, konnten zeitweise verdrängt werden, tauchen jedoch mit Abklingen der Pandemie verstärkt wieder auf. Hier lohnt es sich jetzt, diese Themen aufzunehmen und mit gezielten Maßnahmen wie Coachings und Workshops „das Übel“ anzugehen.

Sie haben selbst großen Wert auf eine fundierte Ausbildung gelegt. Wie lange sind Sie ausgebildet im Coaching? Was sind die wichtigen Punkte?

Vor ungefähr 9 Jahren startete ich meine ersten vier berufsbegleitenden Coaching-Ausbildungs-Jahre bei Ihnen damals, liebe Frau Pientka. Darauf bauten sich bis heute eine Vielzahl vertiefenden Qualifikationen auf. Mir war es wichtig, als Führungskraft im Angestelltenverhältnis meinen Mitarbeitern – und anschließend in der Selbständigkeit meinen Klienten – einen „großen Werkzeugkoffer“ anbieten zu können, damit Veränderung gelingt. Eine gute Ausbildung, fundierte Erfahrungen und die dafür erforderliche Zeit spielen meiner Meinung nach eine wichtige Rolle.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie sich am Markt etabliert haben? Was waren im Rückblick die wichtigsten Punkte, dass es geklappt hat?

Mein Unternehmen stabil aufzubauen und sich am Markt sicher zu etablieren hat insgesamt 4 Jahre gebraucht. Erforderlich für eine erfolgreiche Umsetzung war und ist für mich, ein offener und professioneller Umgang mit allen Herausforderungen, gute Ratgeber, Zeit, Fleiß, und Kollegen(innen), um sich zu hinterfragen und ggf. neu ausrichten zu können. Und das Wichtigste natürlich… Freude an der Arbeit!

Was empfehlen Sie Interessenten am Coach-Beruf? Auf was soll man achten?

Finden Sie heraus, was Sie wirklich wollen und erarbeiten Sie sich mit Profis eine Strategie, der Sie folgen wollen und können. Suchen Sie sich ein professionelles Ausbildungs-Institut, wo langjährig erfahrene Coaches und nicht Theoretiker lehren. Machen Sie sich persönlich einen Eindruck von Ihrem angestrebten Lehr-Institut. Es sollte Ihnen fachlich und menschlich zusagen. Ich kann mich jedenfalls noch gut an unser Vorgespräch erinnern, Frau Pientka. Sie haben mich damals überzeugt durch einen kompetenten und menschennahen Umgang mit mir.  Lehr-Coaches haben eine prägende Funktion. Wenn es gut läuft, kann man sehr viel übernehmen, was einem in der Praxis über viele Jahre weiterhilft. Ich habe mir jedenfalls von Ihnen sehr viel abgeschaut damals, Frau Pientka.

Coaching steht ja oft auch vor der Frage, wie man Erfolg von Coaching evaluieren kann. Stichwort Kosten- Nutzen. Was sind da Ihre Erfahrungen?

Jeder Auftraggeber und jeder Coach sollte die Möglichkeit bekommen, zu erkennen, dass ihre Arbeit erfolgreich war. Dieses gelingt durch Evaluation z.B. durch externe Unternehmen, kann durch einen unternehmensinternen Fragebogen erfasst und ausgewertet, oder in einem nachgelagerten Reflektionsgespräch, erarbeitet werden. Wichtig ist, dass nach einem definierten Entwicklungszeitraum festgestellt wird, dass die vereinbarten Ziele erreicht wurden.

Ein Thema ist auch in Ihrer Arbeit der Bereich: „Gewalt in der Pflege“. Was genau verbirgt sich dahinter? Wie arbeiten Sie da an Verbesserungen?

Da wo Menschen zusammentreffen, kann Gewalt entstehen.

Wichtig ist zu wissen, dass Gewalt nicht erst stattgefunden hat, wenn sich ein Bluterguss zeigt. Zur Gewalt gehört bereits:  Übergriffigkeit, Beschneiden von Rechten oder Unterlassung von Hilfestellung, sowie auch Ignorieren, Anpöbeln, Beschimpfen, die Anrede verweigern aber natürlich auch Handgreiflichkeiten.

Im Bereich Gewaltprävention arbeite ich mit meinen Klienten an deeskalierenden inneren Haltungen, einem konstruktiven Umgang mit Druck und Stress, praxisnahen Tipps und individuellen Strategien im Umgang mit herausfordernden Situationen. In der Überforderung entsteht Gewalt am Häufigsten. Daher ist es wichtig, Ressourcen und Belastbarkeit zu reflektieren, passgenaue Strategien für den täglichen Einsatz zu entwickeln, mit dem Ziel, dass die Teilnehmer sich einen eigenen „einsatzbereiten Werkzeugkoffer“ zusammenstellen, der mehr Souveränität ermöglicht.

Was hat Sie bisher am meisten in Ihrer Arbeit erfreut?

Nach wie vor begeistert mich die Arbeit mit Menschen. Herausforderungen waren schon immer mein Steckenpferd. Mit Menschen gemeinsam Lösungen entwickeln, die spürbare Entlastung schaffen, ist unschlagbar.

Was wünschen Sie dem Pflegebereich und deren Mitarbeitern?

Ich wünsche den tollen Mitarbeitern in der Pflege, Zufriedenheit, Erfüllung und Entwicklung. Und ich wünsche ihnen die Offenheit, anstehende Veränderungen mit natürlicher Neugier, Freude an der Erfahrung und Zuversicht in die eigene Handlungsfähigkeit, mitzugestalten.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, egal was? …Was wünschen Sie sich?

Mehr bewusste Zufriedenheit und viel Zeit sie zu genießen.

Mehr Informationen zu Katrin Berwinkel als Person, ebenso wie über ihre Tätigkeiten und Leistungen als Coach finden sie auf ihrer Homepage katrin-berwinkel.de